Adresse: Loisiumallee 1, 3500 Langenois
Auftraggeber:Loisium Kellerwelt Betriebsges.m.b.H.
Mitarbeiter: NY: Christian Wassmann (PL), Olaf Schmidt, Martin Cox, Brain Melcher, Jason Franzen; A: Sabine Basista, Karin Sam
Planung und Bauzeit: 2001-2003



Es war ein Augenblick sofortiger Inspiration

 

GH Sie haben einmal betont, dass es für Sie schon immer interessant war, sich mit den beiden Extremen von Uralt und Ultramodern in einem einzigen Projekt intensiv auseinanderzusetzen. Insofern muss doch das Langenloiser Projekt für Sie ideal gewesen sein. Welchen Eindruck hatten Sie, als Sie das Bauland im März 2001 zum ersten Mal sahen? Was waren Ihre ersten Ideen?

SH Diese Zeichnung hier ist die Schlüsselskizze [so S. 75]. Sie entstand in der Nacht, nachdem ich erstmals vor Ort war. Das war am 11. Juni 2001. Die Bauherren Tuula und Gerhard Nidetzky führten mich durch die alten Weinkeller, und ich sah eine wunderschöne Karte dieser merkwürdigen Morphologie, der Gestalt dieser Weinkeller. Ich hatte sofort die Idee zu dieser verrückten Sprache - bei na eine Art neues Formenalphabet, das das Alte mit dem Neuen verbinden sollte. Mit dem Durchschneiden der unterirdischen Formen durch einen simplen Würfel [dem Wein- oder Besucherzentrum] werden die Keller zu Lichtquellen, während sie selbst dunkel bleiben. Das Hotel wiederum entstand dann als Reaktion darauf oder in Umkehrung dazu. Das Konzept verlief also vom Keller zum Weinzentrum bis zum Hotel. Eines ist under the ground, eines in the ground und eines above the ground. Es war ein Augenblick intuitiven Denkens und sofortiger Inspiration.

Merkwürdig, ich hätte gedacht, dies hier wäre die erste Skizze für das langenloiser Projekt gewesen

Ja, da haben Sie recht. Aber diese, mit 14. März 2001 datierte, zeigt nur die drei Teile der Gewölbe [so S. 74]. Man erkennt zwar schon die alte Morphologie, den Kubus des Weinzentrums und das Hotel. Die Gebäude haben aber noch keine artikulierte Form. Außerdem fehlt in dieser Skizze die Idee des under the ground, in the ground und above the ground. Die mit 11. Juni 2001 datierte Zeichnung zeigt hingegen die Grundidee [so S. 75]. Ich brauchte dafür also drei Monate. Das heißt, dass mir erst jetzt, wo ich hier mit Ihnen sitze und rede, auffällt, dass ich mich an etwas anderes erinnere, als das, was wirklich geschah (lacht).

Wie ging es weiter, nachdem Sie die endgültige Idee skizziert hatten?

Von den Aquarellen gehen wir immer zu den Modellen über, wovon wir immer viele anfertigen. Das kann schnell gehen, aber auch eine Zeitlang in Anspruch nehmen. Die Entwicklung des Hotels dauerte sehr lange; wir haben unzählige Modelle, die belegen, wie wir damit gekämpft haben. Das Weinzentrum gelang viel schneller. Das liegt daran, dass das Hotel komplexer ist - das Programm war vielfältiger, und ich wollte unbedingt, dass die Hotelzimmer über den öffentlich zugänglichen Räumen schweben. Ich glaube, dass viele Architekten und Architektinnen, die Ansprüche haben, kämpfen müssen. Die Balance zwischen Grundidee, Form und Komposition ist eben ein Kampf; es dauert lange, bis alles zusammenpasst. Es wurden schon viele Gebäude auf der Welt gebaut, aber nur wenige besitzen diese besondere Intensität; Und geht man der Sache auf den Grund, war meistens jemand dafür verantwortlich, der kämpfen musste - so wie ich.

Ich würde meinen, dass sowohl das Besucherzentrum als auch das Hotel gut in die Umgebung integriert sind. Steht diese Homogenität in Zusammenhang mit Ihrem Entwurfsprozess, im Zuge dessen Sie eingehend die Besonderheiten des Ortes aufspüren?

Es freut mich, das zu hören. Und ja, am 11. Juni 2001 hatten wir ein Konzept: Die Verbindung von etwas Modernem mit etwas sehr Altem. Doch das war zugleich auch ein Schock für mich, denn während ich diese Skizzen zeichnete, dachte ich, sie sollten nicht an alte Architektur erinnern, weil das dem Alten gegenüber zu respektlos wäre. Ich muss etwas aus dem 21. Jahrhundert machen! Als ich dann die Entwürfe erstmals in Langenlois präsentierte, stellte ich klar, dass meine Bauten, selbst wenn sie zu den Gewölbeformen darunter Bezug nahmen, etwas Neues seien und in komplementärem Kontrast stünden. Der Bürgermeister meinte in der Besprechung: ,Wir bauen dieses Weinzentrum und auch das Hotel.' Ich hatte keine Ahnung, dass dies die Baubewilligung war. Allerdings bedeutete das auch, dass ich das Gebäude später nicht verschieben konnte, weil die Behörden auf Grundlage meiner ursprünglichen Zeichnung einen Widmungsplan erstellt hatten, der auf den Raum für die Neubauten zugeschnitten war - und so konnte ich nicht mehr zurück.

Könnten wir zur Frage der Homogenität zurückkommen?

Ja, ich denke, die hängt wirklich mit dem Gewölbesystem zusammen, und auch damit, dass es sich um kompakte Geometrien handelt. Zum Beispiel hat dieser Leerraum dasselbe Volumen wie diese Festform (die Geometrie des Hotelvorplatzes gleicht dem Umriss des Weinzentrums). Außerdem hängen sie unterirdisch, ebenerdig und überirdisch zusammen. Ich glaube, diese vier Assoziationsmöglichkeiten machen die Architektur zu etwas Neuem und Andersartigem, während sie zugleich im Boden und in der Geschichte des Orts verwurzelt bleibt. Das ist diese tiefe Verbindung zu dem, das ich aus dem Bauplatz herausgelesen habe. Die Bauarbeiter, Bauunternehmer, Konstrukteure - alle verstanden diese Idee sofort. Sie akzeptierten sie, obwohl sie niemals zuvor so ein Gebäude errichtet hatten.

Wie Sie bereits erklärt haben, basiert die erste Skizze zum Langenloiser Projekt auf den drei typologischen Elementen unter, in und über der Erde. Wieso taucht dieses Motiv, das sie schon früh in ihrem Werk verwendet haben, hier in diesem Projekt wieder auf?

Es handelt sich nicht wirklich um eine Typologie, sondern um den Begriff der Erdoberfläche, und dass jede Architektur in Beziehung dazu steht: Sie kann sich nur unterhalb, innerhalb oder oberhalb davon befinden. Es geht um Erdbezogenheit und nicht um ein Motiv wie z.B. eine Geometrie oder eine Form.

Es handelt sich also um einen universellen Zugang?

Ich habe diese Dreiteilung 1986 zum ersten Mal in einer Art Manifest in meinem Buch Anchoring in Bezug auf das Mailänder Projekt Porta Vittoria erwähnt. Anstatt einen persönlichen Stil zu entwickeln, den ich auf den unterschiedlichen Bauorten wiederhole, versuche ich an jedem Ort eine neue Architektur. Das macht es natürlich für die Bauherren schwer, weil ich unberechenbar und damit für sie gefährlich bin. Sie wissen nicht. welches Konzept sie vorgelegt bekommen werden. Gibt es einen zweiten Durchgang, komme ich deswegen selten zum Zug. Für mich ist es leichter ein Projekt durch einen Wettbewerb zu gewinnen.

Mir ist ihr Vergleich zwischen der geometrischen Anlage der Rebzeilen und dem ,städtischen Raster' aufgefallen. In Langenlois sind wir auf dem Land ...

Aber die Landschaft ist nicht ländlich! Sie ist von Menschen gemacht. Die Geometrie der Stadt formt den Raum. Wenn man das Raster einer Stadt durchwandert und den Himmel betrachtet. so ist der Raum des Himmels in ein geometrisches Muster zergliedert. Und wenn man die Zeilen eines Weinbergs durchwandert, ist der Raum des Himmels gleichermaßen durch das geometrische Muster des Weingartens gegliedert. Es gibt eine Beziehung zwischen unserer Raumerfahrung und geometrischer Strenge, ob sich nun ein Raster, eine fixe Geometrie oder parallele Raumstreifen zwischen Gebäuden oder zwischen Grünfluchten befinden. Hier in Langenlois handelt es sich definitiv um eine künstliche Art der Raumerfahrung, die sehr schön ist. Es gibt nichts Schöneres als vollreife Weingärten. Es war interessant, dass die alte Stadt, das Weinzentrum und das Hotel in dieses strenge Verhältnis einbezogen werden konnten. Deswegen müssen die neu gepflanzten Rebenzeilen zwischen dem Weinzentrum und dem Hotel genau so laufen, wie sie heute laufen, um diese Elemente zu verbinden. Es ist auch sehr wichtig, dass die neuen Reben so nahe wie möglich an das Hotel gepflanzt wurden, sodass man sie vom Cafe. vom Restaurant oder vom Spa-Bereich aus bis direkt ans Fenster kommen sieht. Das ist ein einzigartiges Erlebnis.

Sie haben immer eine enge Beziehung zu Europa gehalten, beginnend mit ihren frühen Studien in Rom, dann mit mehreren Wettbewerben und nicht zuletzt mit dem Kiasma Museum in Helsinki. Was bedeutete es für Sie, in Österreich zu bauen?

Es war ein sehr schönes Erlebnis. Die heimischen Architekten Irene [Ott-Reinisch] und Franz [Sam] waren extrem wichtig. Sie waren für all die mühsame Arbeit verantwortlich, für die ganzen Detailpläne. Ich habe nur die Skizzen angefertigt. Nur so konnte ich arbeiten, denn ich kannte die österreichischen Gepflogenheiten nicht. Ich glaube, ein Grund für das Gelingen des Projekts war die hohe Fachkenntnis der Beiden. Das machte das Projekt so besonders - alle Involvierten investierten viel Energie. Von meiner Seite war der Projektleiter Christian Wassmann extrem engagiert. Aber auch die Handwerker und alle anderen Beteiligten waren sehr gut. Ich würde gerne noch etwas in Österreich bauen. Ich schätze diese Achtung vor handwerklichem Können und auch die harte Arbeitsmoral der Leute.

Wie gut kannten Sie vor dem Projekt den österreichischen Wein?

Ich wusste nur wenig darüber. Ich kannte den Grünen Veltliner, diesen herrlichen, trockenen Wein. Doch wusste ich nichts über seine lange Geschichte, den Variantenreichtum und seine Qualität. Es gibt 60 verschiedene Arten Grünen Veltliner! Und diese Umsicht, mit der die Winzer für diese Weinvielfalt sorgen! Sie sind extrem tüchtig. Das ist wunderbar.

Kommen wir zum Design der Möbel. Wie gelang es Ihnen, eine so einheitliche Atmosphäre zu erzeugen, obwohl die Einrichtung aus mehreren individuell gestalteten Möbeln besteht?

Bei allen Möbeln ging ich von derselben Vorstellung aus. Die Sofabezüge zeigen die Morphologie der Reben. Sie wurden aus Webstoffen hergestellt, schwarz und gelb. Und auch die Sessel beziehen sich auf die Reben, wie man an diesen geschwungenen Linien erkennt. Der Entwurf der Sessel stammt aber auch aus einer Zeit in meinem Leben, in der ich starke Rückenschmerzen hatte. Ich wollte ihn Loisium-Lendensessel nennen. Als Ausgangspunkt für den Entwurf nahm ich diesen ,Lendendruck am Rücken'. Und er funktioniert auch als normaler Speisesessel. Die Lichtelemente, die Türschnallen - alle Formen beziehen sich auf die Kellergewölbe. Es ist wie bei einem Musikstück, in dem sich ein verbindendes Thema durch alles hindurchzieht. Ich schätze es sehr, dass die Nidetzkys all dies unterstützten. Noch einmal, das macht das Projekt so speziell: Alle Beteiligten strengten sich aufs Äußerste an, damit wir trotz des engen Zeitrahmens fertig werden konnten. In einer Idealwelt jedoch hätte ich mir ein Jahr mehr erbeten.

Nehmen wir das doch als letzte Frage: Was hätten Sie geändert, wenn Sie noch ein Jahr zur Verfügung gehabt hätten?

Wer weiß, ich hätte vielleicht mehr an der Einrichtung gefeilt, an den Proportionen, an Formen und Farben. Aber letztlich kommt diese Vorstellung, ein Jahr mehr haben zu wollen, davon, dass man als Architekt immer den Prozess auskosten will.


Textquelle: HATJE CANTZ; steven holl-world of wine LOISIUM; S.: 72-82; Text: Gudrun Hausegger

Fotos: Margherita Spiluttini, Lukas Wassmann, Yukio Futagawa